Mein Rücken schmerzt immer noch – 5 Jahre lang!
Chronische Schmerzen, insbesondere chronische Rückenschmerzen sind eine der häufigsten Ursache für Ausfälle und Krankheitstage weltweit! Knapp 80% aller Menschen haben einmal im Leben eine Phase von Rückenschmerzen. Warum erholen sich manche Menschen scheinbar mühelos, während andere Menschen chronische Beschwerden entwickeln?
Als Bewegungsspezialist versuche ich den Patienten oft das „warum“ hinter ihren Beschwerden zu erklären. Natürlich kann man anstelle dessen auch einfach an Asymmetrien, vermeidlichen Dysbalancen und Bewegungen arbeiten – oft ist dies aber nur ein Teil des Puzzles.
Gerade chronische Rückenschmerzen sind oftmals frustrierend. Dies hat mehrere Gründe:
- Bildgebende Verfahren wie MRT und Röntgen zeigen oft nicht die alleinige Ursache
- Rehabilitation hat gute und weniger gute Phasen – oftmals ohne ersichtlichen Grund
Einen Punkt möchte ich dir ans Herz legen:
Wenn du gerade Rückenschmerzen hast und dein Orthopäde eventuell schon eine MRT- oder Röntgenuntersuchung angeordnet hat, dann behalte bitte folgendes im Hinterkopf:
ein Bild der Wirbelsäule sollte nicht die erste Wahl der „Behandlung“ sein. Chronische Beschwerden lassen sich sehr oft nicht auf einem Bild festhalten.
Zu häufig entwickeln sich daraus ungünstige Muster. Oft finden sich kleine Auffälligkeiten, die sich schlimmer anhören als sich der Schmerz anfühlt, oder die Wirbelsäule zeigt nichts Auffälliges und dennoch hast du Schmerzen. Gerade Letzteres ist sehr frustrierend und nicht selten wirst du als „Simulant“ abgestempelt. Dennoch hat der Mensch Rückenschmerzen. Wie kann das sein???
Unser Nervensystem ist unglaublich plastisch, also veränderbar.
Leider kann diese Plastizität auch negativ beeinflusst werden. Problematisch wird es dann, wenn es zur sogenannten „zentralen Sensibilisierung“ kommt. Was bedeutet das?
Dein Zentrales Nervensystem (Hirn und Rückenmark) wird sehr sensibel, wenn es um Empfindungen geht. So kommt es schlussendlich dazu, dass Reize, die eigentlich keinerlei Probleme machen sollten, in der Folge Beschwerden auslösen.
Eine kleine Geschichte:
Wenn ein Einbrecher in mein Haus einbricht, dann erwarte ich von meiner Alarmanlage, dass sie mich warnt. Wenn eine Taube auf dem Dach sitzt erwarte ich allerdings nicht, dass die Alarmanlage losgeht. Bei der zentralen Sensibilisierung geht der Alarm dennoch los – der Alarm ist Schmerz.
Ist es ein falscher Alarm?
Mittlerweile wissen wir folgendes: bei langanhaltenden Beschwerden stimmen Empfindung und tatsächlicher Schaden oftmals nicht mehr überein.
Aus diesem Grund ist Edukation so wichtig!
Du musst das „warum“ verstehen. Ich möchte anmerken: jeder Schmerz ist real und (wahrscheinlich) kein Patient bildet sich den Schmerz ein. Aus diesem Grund ist es so unheimlich wichtig, dass der Patient versteht, dass Schmerz ≠ Schaden. Um endlich einen Schritt in die richtige Richtung zu machen ist es unheimlich wichtig, dass wir Bewegungen für dich finden, die dir keine oder nur wenig Beschwerden verursachen.
Dies ist ein guter Weg zu starten.
Die Idee dahinter lautet: wir müssen deinem Nervensystem wieder vermitteln, dass Bewegung XY, wie simples vornüberbeugen, nicht gefährlich ist. Natürlich kann es zu einem „flare up“, also einem „aufflackern“ der Beschwerden kommen – dein Körper hat in den vergangenen Monaten gelernt, dass eine Bewegung potentiell gefährlich sein kann.
Aus diesem Grund gebe ich dir folgende Regel mit:
wenn der Schmerz gering ist und sich nicht großartig während der Bewegung ändert – dann mach weiter. Wird der Schmerz hingegen schlimmer, dann mach eine Pause. Ziel sollte es sein, dass du Resilienz und Vertrauen entwickelst. Mit der Zeit wird sich dein Nervensystem daran gewöhnen, dass eine Bewegung nicht gefährlich ist.
Dein Fahrplan:
- Jeder Schmerz ist real. Du bildest dir keinen Schmerz ein, dein Hirn interpretiert die Reize lediglich als Schmerz.
- Schmerz ≠ Schaden
- Beginne mit grundlegenden Bewegungen: Kniebeugen (auch ohne Gewicht), Schuhe schnüren, von rechts nach links rollen – all das sind Bewegungen, die oftmals Schmerz auslösen, es aber nicht sollten. Es ist notwendig, dass diese Bewegungen progressiv trainiert werden, damit sich das Nervensystem daran gewöhnt, dass es nicht gefährlich ist.
- Suche dir einen Verbündeten & einen Professional. Röntgen und MRT sind bei chronischen Schmerzen (so gut wie) sinnlos. Oft sind die gefundenen Veränderungen nicht auslösend und nicht schlimm. Im Gegenzug sind die Untersuchungen oft frustrierend und sie ändern sowieso nichts. Das Ziel sollte immer ein angepasstes Bewegungsprogramm sein!